Die
Leber ist ein lebenswichtiges Organ für Stoffwechsel und Entgiftung, dessen
Funktion künstlich nicht ersetzt werden kann. Allerdings besitzt die Leber die
einzigartige Fähigkeit, nach einer größeren Teilentfernung innerhalb von vier
Wochen wieder nachzuwachsen. So sind heute mit modernen Operationstechniken und
entsprechender Expertise auch ausgedehnte Teilentfernungen mit bis zu 75 % des
Lebervolumens sicher durchführbar.
Auch Wiederholungseingriffe sind möglich. Bei Ausschluss schwerwiegender Begleiterkrankungen können selbst ältere Patienten (über 75 Jahre) mit der entsprechenden Erfahrung an der Leber sicher operiert werden.
Vor einer Teilentfernung muss der Chirurg sicherstellen, dass ausreichend Lebervolumen zurückbleibt sowie die Restleber funktionstüchtig und ausreichend durchblutet ist. Hinsichtlich der Leberfunktion verständigen wir uns mit unseren Internisten. Vorbestehende Lebererkrankungen wie beispielsweise eine Fettleber und eine Leberentzündung (Hepatitis) oder eine toxische Schädigung der Leber beispielsweise infolge einer Langzeit-Chemotherapie sind unbedingt zu berücksichtigen und erfordern ein weitaus größeres Restlebervolumen. Bei einer Leberzirrhose kann, je nach Organfunktion, eine Leberteilentfernung sogar unmöglich sein.
Die
Leber erhält sauerstoffreiches Blut über die Leberschlagader (Leberarterie)
sowie das venöse nährstoffreiche Blut aus dem Magen-Darm-Trakt über die
Pfortader. Die beiden Gefäße teilen sich noch in der Leberpforte in die
Hauptstammgefäße für die rechte und linke Leber auf. Innerhalb der Leber
zweigen sich die Gefäße baumartig weiter auf, so dass jedes der acht
anatomischen Lebersegmente eine eigene Gefäßversorgung erhält. Das Blut, das in
die Leber hineinfließt, verlässt das Organ über mindestens drei Lebervenen in
die untere Hohlvene Richtung Herz.
Galle, die von der Leber gebildet wird, sammelt sich in Gallengängen, die sich weiter zu einem Hauptgallengang vereinen. Der Hauptgallengang, mündet gemeinsam mit dem Bauchspeicheldrüsengang in den Zwölffingerdarm.
Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Planung und Durchführung komplexer Leberresektionen ist ein detailliertes dreidimensionales Verständnis der Leberanatomie mit ihrer Gefäßversorgung und Gallengangsdrainage einschließlich vielfältiger anatomischer Normvarianten.
Mit Hilfe spezieller Blutuntersuchungen können Aussagen über die Leberfunktion getroffen werden, die insbesondere für die Planung größerer Teilentfernungen von Bedeutung sind. Schließlich muss die Restleber groß genug sein, um ihre lebenswichtige Funktion erfüllen zu können. Unter Umständen ist zur genaueren Einschätzung einer vorbestehenden Leberschädigung vor der Operation eine Leberbiopsie erforderlich.
Angesichts der komplexen Leberanatomie ist es für die Operationsplanung immens wichtig, zuverlässige Informationen über Anzahl, Lage, Größe und Verteilung der zu entfernenden Leberherde zu haben. Hierfür fordern wir obligatorisch eine Computertomographie des Bauches mit mehreren Kontrastmittelphasen. Oftmals erfolgt zusätzlich eine Kernspintomographie (MRT). Mit der Untersuchung können weitere pathologische Befunde im übrigen Bauchraum ausgeschlossen werden, die für die Therapieentscheidung von Bedeutung sein könnten. Bei bösartigen Erkrankungen führen wir zusätzlich eine Computertomographie der Lunge zum Ausschluss von Tumorabsiedlungen durch.
Routinemäßig führen wir bei der Operation am offenen Bauch vor Beginn der Leberteilentfernung eine Ultraschalluntersuchung direkt auf der Leberoberfläche durch. Diese intraoperative Sonographie hat von allen diagnostischen Verfahren die höchste Aussagekraft hinsichtlich der Tumorausdehnung und damit der lokalen Operabilität. Bisweilen ergeben sich hierdurch neue Befunde, die eine Anpassung der operativen Strategie erfordern.
Am häufigsten werden Leberresektionen bei Tumorabsiedlungen, sogenannten Metastasen, beim Darmkrebs durchgeführt. Die Chirurgie bei Lebermetastasen ist fester Bestandteil des onkologischen Behandlungsspektrums an unserem Darmzentrum. Ob eine Leberresektion aus Sicht der Tumorsituation sinnvoll ist und welche Vorbereitungen dafür getroffen werden müssen und welche begleitenden Therapien gegebenenfalls sinnvoll sind, diskutieren wir in unserer fachübergreifenden Tumorkonferenz (siehe auch Schwerpunkt "Darmkrebs").
Im Vordergrund steht die Einschätzung durch den Chirurgen, ob sämtliche Absiedlungen technisch vollständig entfernbar sind (siehe Unterpunkt "Grenzen der Operabilität") und ob das Volumen der Restleber ausreichend groß ist. Hierbei spielt zunächst die Größe, Anzahl und Verteilung der Metastasen eine nachgeordnete Rolle. Bei multiplen Metastasen werden heute zunehmend mehrere, kleinere Teilentfernungen anstelle einer einzelnen großen Leberresektion durchgeführt, um möglichst viel Restlebergewebe zu erhalten. Dabei sollte der Tumor "im Gesunden" entfernt werden, idealerweise mit einem wenigstens 1 cm breiten Saum von gesunder Leber um den Tumor herum. Bei kleineren Sicherheitsabständen sind die Ergebnisse aber auch noch gut.
Der primäre Leberkrebs entsteht meist auf dem Boden einer viral bedingten Leberentzündung (Virushepatitis) oder einer durch Alkoholkonsum bedingten Leberzirrhose. Infolge der Grunderkrankung besteht eine Vorschädigung der gesamten Leber. In solchen Situationen ist eine komplexe Leberresektionen risikoreicher, weil die Funktion nach der Operation erheblich eingeschränkt sein kann, so dass mehr Lebergewebe als bei einer ansonsten gesunden Leber zurückbleiben muss. Hinzu kommt, dass ein deutlich größerer Sicherheitsabstand zum einzelnen Tumorherd eingehalten werden sollte, weil oftmals um den Tumor herum weitere kleine Tumorherde (sogenannte Satellitenknoten) vorliegen können. Nach einer erfolgreichen Tumorentfernung besteht jedoch aufgrund der Grundkrankheit (Leberzirrhose, Virushepatitis) zeitlebens ein erhöhtes Risiko für die Entstehung neuer Lebertumore, weswegen routinemäßige Kontrollen erforderlich sind. Die Tumorrückfallrate nach Resektion beträgt durchschnittlich 50-80 % innerhalb von 5 Jahren. Sie ist am geringsten, wenn nur ein einzelner Leberkrebsherd vorgelegen hat und dieser kleiner als 5 cm war.
Leberteilentfernungen bei gutartigen Tumoren sind deutlich seltener als bei Krebsabsiedlungen, beispielsweise wenn die Tumore an Größe zunehmen und/oder Beschwerden verursachen. Ab etwa 5 cm Größe werden die bevorzugt bei Frauen auftretende Leberadenome operativ entfernt, weil sie im Verlauf mit einem erhöhten Risiko in einen Leberkrebs übergehen können. Bei einem wachsenden großen Blutschwamm in der Leber (sogenanntes Hämangiom) mit Schmerzen besteht die Gefahr der Ruptur mit starker Blutung. Gelegentlich werden große, raumfordernde, flüssigkeitsgefüllte Hohlräume in der Leber (sogenannte Zysten) wegen lokaler Probleme (Kompression, Schmerzen) breit eröffnet. Wir führen einen solchen Eingriff standardmäßig minimal-invasiv (laparoskopisch) durch. Die Entscheidung zur Operation wird stets individuell nach sorgfältiger Abwägung aller Risiken zusammen mit dem Internisten und Radiologen getroffen.
Ob
alle Lebertumore entfernt werden können, hängt maßgeblich von folgenden
Faktoren ab:
Sehr spezielle Techniken kommen teilweise in Kombination dann zur Anwendung, wenn das notwendige Volumen der Restleber zunächst nicht ausreicht, um die gesamte Tumormasse in einem Eingriff vollständig zu entfernen. Ziel wäre, durch geeignete Maßnahmen das Restlebervolumen vor der Leberteilentfernung zu vergrößern, um die Tumorherde zu einem späteren Zeitpunkt resektabel zu machen. Ein solches Vorgehen erfordert stets eine engmaschige, interdisziplinäre Abstimmung aller mit der Tumorbehandlung befassten Fachdisziplinen (Viszeralchirurg, Onkologe, Strahlentherapeut und interventioneller Radiologe):
Zunächst nicht entfernbare Absiedlungen eines Leberkrebses können durch eine Chemotherapie in 15-20% der Fälle so verkleinert werden,
dass sie zu einem späteren Zeitpunkt operabel werden. Hierzu sind engmaschige,
bildgebende Kontrollen erforderlich, um zum richtigen Zeitpunkt operieren zu
können. Mit zunehmender Dauer der Chemotherapie wird nämlich das Lebergewebe
geschädigt, so dass die Komplikationsrate nach einer komplexen Leberteilentfernung
stark ansteigt. In einem solchen Behandlungskonzept darf es nicht das Ziel
sein, Leberabsiedlungen durch eine Chemotherapie scheinbar verschwinden zu
lassen. Solche "nicht mehr sichtbaren Absiedlungen" enthalten in den weitaus
meisten Fällen vitale Tumorreste unter dem Mirkoskop und stellen den Chirurgen
bei der Operation vor die schwierige Herausforderung, die Resektionsgrenzen
sinnvoll festzulegen.
Ist das Restlebervolumen zu klein, um alle
Leberherde gleichzeitig zu entfernen, kann zunächst ein Teil der Herde entfernt
werden, so dass beispielsweise ein Leberlappen tumorfrei wird. Die übrigen
Herde werden dann in einer zweiten, größeren Operation entfernt, wenn sich zu
diesem Zeitpunkt die Leber vom ersten Eingriff erholt hat und bereits
nachgewachsen ist (sogenannte "zweizeitige Leberresektion").
Das Lebervolumen kann vergrößert werden, indem
ein kräftiges Pfortadergefäß, das den später zu entfernenden Leberanteil mit
Blut versorgt, selektiv verschlossen wird. Dies führen wir an unserer Klinik
entweder mit radiologischen Methoden durch (Pfortaderembolisation) oder wir
unterbinden den Pfortaderast operativ (Pfortaderligatur). Es kommt innerhalb
von 4 Wochen zu einem Größenwachstum des zu erhaltenden Leberanteils, so dass
dann eine umfangreiche Entfernung des tumortragenden Leberanteils sicher
durchgeführt werden kann.
Lassen sich nicht alle Tumorherde vollständig operativ entfernen, besteht je nach Einzelfall auch die Möglichkeit, Tumorherde in der Leber durch sogenannte lokal-ablative Verfahren (RFA) oder durch gezielte Embolisation (TACE) zu zerstören. Hierfür binden wir unsere Kooperationspartner der interventionellen Radiologie ein.